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MikroNews: Überbewertungen

Marco Herack
5 minuten gelesen

Es gibt Themen, die sind schwierig anzupacken. Nicht, weil es heiße Eisen wären, sondern weil manche Dinge schwer darstellbar sind. „Der Markt“ wäre so ein Thema.

Kurz gesagt: Fast alles steigt. Außer Zinsen: Aktien, Gold, Silber, Kupfer, Uran.

An der Stelle werde ich deswegen wach, weil Gold und Silber in wirtschaftlich und zinsschwachen Zeiten steigen. Sie signalisieren die Erwartung diverser Probleme:

  • Inflation
  • Vermögenspreisinflation (Asset Price Inflation)
  • Verschiebungen im Währungssystem
  • Systemstress (vulgo Finanzkrise)
  • Krieg

Eine Einzelbetrachtung macht an der Stelle Sinn:

Inflation

Die Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) warnt vor Inflation.

Die Notenbanken wiederum sehen „momentan“ keine Gefahr. Die Vergangenheit spricht für die Notenbanken. Inflation war kein Thema. Ich wüsste momentan nur einen Weg, wie sie entstehen könnte:

Vermögenspreisinflation (Asset Price Inflation)

Der Begriff ist nicht sonderlich beliebt, aber er existiert und wird auch bei der EZB diskutiert.

Im Kern geht es darum: Die Vermögenspreise entfernen sich immer weiter von den Fundamentaldaten. In unserem aktuellen Fall: Die Bewertungen steigen oder bleiben gleich und die Gewinne fallen. Wir sehen beispielsweise im S&P 500, dass die Kurse sich nahe den Vorkrisenniveaus befinden während die Unternehmen einen Gewinneinbruch über 44% erwarten. Das passt nicht zusammen.

Nun kann man argumentieren, dass eine Vermögenspreisinflation kein Problem darstellt, da sich die Vermögenspreise nicht in die Realwirtschaft transformieren. Das stimmt aber nur bedingt, da große Vermögen sich über die Immobilienwirtschaft und Rohstoffe durchaus sehr direkt in die Realwirtschaft transformieren. Zwar profitieren davon auch irgendwann auch die Löhne, doch das ist auch nur eine abgewandelte Version der Trickle-down-Theorie.

Wesentlich präsenter sind in solch einem Fall mediale Berichte über unverschämt reiche Milliardäre, denen Logistikgiganten gehören. https://t3n.de/news/jeff-bezos-macht-tag-13-dollar-1301670/

Zurück zur EZB. Yves Mersch drückte es wie folgt aus.

Elevated asset prices relative to fundamentals increase the risk of a future correction in housing or equity markets. Such a correction would affect banks directly by reducing the value of collateral backing loans and indirectly by affecting confidence, leading to weaker overall economic activity. There is, therefore, no clean separation between the pursuit of monetary stability and that of financial stability in the medium term.

Verschiebungen im Währungssystem

Die Schweizer sind Goldfans. Vielleicht liegt es an der eigenen harten Währung oder den Goldlagerungen bei Schweizer Banken. Jedenfalls hat Mark Dittli von ‚The Market‘ hat in seinem wöchentlichen Überblick eine These bezüglich China dargelegt, der nach China über eine Goldbindung des RMB eine alternative zum Dollarraum aufbauen könnte. Da Mark hinter einer Paywall arbeitet, hat er es ‚für euch‘ auf Twitter kurz zusammengefasst.

Nun ist die These nicht meine, aber es gibt bei der Sache einen Fakt: Wir befinden uns am Anfang der Alternativen zum dollarbasierten Währungssystem. In unserer aktuellen Folge bezeichne ich die europäischen Komissionsanleihen als Grundsteinlegung für eine Stärkung des europäischen Währungsraumes. (Ulrich will sie heute noch fertigschneiden.)

Weltweit gibt es das Bedürfnis nach weniger Abhängigkeit von den USA in Sachen Währungs- und Zahlungssystem. Hier entsteht etwas und das wird bleiben. Allerdings sind die Prozesse langfristig. Und niemand weiß, was genau da entsteht. Ich gehe beispielsweise eher davon aus, dass China versuchen wird über die Blockchain Alternativen zu schaffen. Damit man kann mehr Geld ‚erreichen‘ als via Rohstoffhandel.

Also auch wenn wir hier etwas wissen, dann ist dieses Wissen nichts, worauf man heute sinnvoll spekulieren kann. Es bleiben da nur die Seiteneffekte der aktuellen Stimmungslage.

Systemstress (vulgo Finanzkrise)

In den USA sind es Hauskredite, deren Zahlung momentan gestreckt wird. In Deutschland sind es Insolvenzen, deren Ansteigen gen Jahresende erwartet wird. Der Staat wird die wegbrechenden Gewinne nicht kompensieren können und wollen. Die Realität wird sich also zeigen und das trifft dann vor erstmal die Banken.

Daher waren die bisherigen Maßnahmen der Regierungen und Notenbanken so wichtig, sie haben den Stress im System verhindert. Wir wissen aus der Vergangenheit aber auch, dass der Preis einer Krise immer bezahlt werden muss. Die Frage ist nur wann, vom wem und wie lange es dauert.

Kombiniert mit der ansteigenden Staatsverschuldung stellen sich hier zwei Fragen: Wie lange können die Staaten das durchhalten und, wenn wir den Blick von Deutschland wegbewegen, wo gibt es Wackelkandidaten, deren Kollaps systemisch schwer zu verdauen ist?

Krieg

Krieg findet in Syrien statt. Oder in Libyen. So zumindest die weitläufige Meinung. Relevant ist Krieg für ‚die Märkte‘ immer dann, wenn er groß genug ist und da wähnen sich viele sicher. Es gab in den letzten Wochen einen starken Stimmungsumschwung, nachdem sich chinesische und indische Soldaten in einem Grenzkonflikt gegenseitig ‚abgestochen‘ haben. Zwei Atommächte, wohlgemerkt.

Zugleich verschärft US-Außenminister Pompeo seine Gangart gegen China. Sei es mit der Schließung des chinesischen Konsulats in Houston, der Beendigung des Hong Konger Sonderstatus oder durch avisierte Rüstungsdeals mit Taiwan. Vom Handelskrieg und 5G nicht zu sprechen. Auch im südchinesischen Meer ist es nicht gerade ruhig. Die Lage ist, zusammengefasst, so angespannt, dass für viele Chinabeobachter der Krieg zwischen den USA und China kurz vor der Tür steht.

Soweit die Einzelpunkte. Die Frage ist nun, was macht man damit?

Als Beobachter sucht man immer nach Gründen, warum sich die Dinge ändern sollten. Also wo ist der Bruch im aktuell vorherrschenden Glaubensmuster. Wo sind die Risiken?

Dieses Denken ist die Grundlage für viele Menschen, die versuchen an den Börsen ihr Geld zu verdienen. Seien es die Daytrader, die in Gänze 20-25% des Tagesumsatzes in den USA stemmen oder seien es die Profi-Investoren, die seit Corona am Rande der Märkte stehen und auf den weiteren, großen, Einbruch warten.

Ein Hörer fragte uns, ob nicht die passiven Investoren die treibende Kraft hinter den steigenden Kurse seien. Sie sorgen mit ihren stetigen Geldzuflüssen für den: ‚Dieses Mal ist alles anders Effekt‘. Diese steten Geldflüsse existieren, man kann sie nachweisen.

Ja, das spielt eine Rolle. Meines Erachtens nur keine sehr große Rolle. Denn auch wenn manche Dinge als ein Automatismus scheinen, sind sie es nicht. Wenn ‚die Preise‘ erstmal 3-4 Monate am Stück nach unten gehen, dann ändert sich die psychologische Lage dieser Art Investoren umgehend. Der bisherige Einbruch war so schnell abgehandelt, dass die passiven Investoren noch im Geduldsspektrum waren.

Die unerträgliche Antwort zur aktuellen Marktlage könnte lauten: Die Bewertungen sind angemessen.

Bedenken und Probleme werden durch die Staaten und Notenbanken in Schach gehalten. Kein Investor kennt die Zeitschiene, in der sich das ändern wird. Wir kennen alle Risiken sehr genau. Es ist aber auch immer ein Risiko nicht long zu sein, wenn die Märkte steigen. Das heißt, das größte Risiko ist in diesem Fall, dass die Notenbanken tun, wofür sie da sind und das weiterhin zu keinem Problem führt.

Wenn richtig ist, was ist, dann ist das Sichtbarwerden der Risiken der nächste Schritt.

Mikro186 erscheint ab Montag

Christliche Verhältnisse bei Ulrich.

Lesehinweise

1. Stocks (in particular tech stocks) COULD rally further, but there is a high risk of a violent shakeout.
2. While the stock market could rally further over the next year (meaning now until mid-2021), risk:reward supports a short term pullback/correction. Nothing changes until everything changes all at once.
  • Wir haben in den letzten Monaten viel über die Rückkehr des Kalten Krieges gelesen. Und bei allem, was man den USA seinerzeit vorwerfen konnte, gab es doch immer den Geist an Freiheit und das grundsätzliche Vertreten und Eintreten für Menschenrechte. In dem Sinne bin ich da ganz bei Hal Brands.
The​ re-evaluation is now moving beyond foreign policy. If this is a new Cold War, the conservative historian Hal Brands says, then America needs to rally the home front. It must become ‘a better version of itself’.
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